Mit seinem Urteil vom 15.06.2011 (Az.: BGH XII ZR 94/09), das am 02.08.2011 veröffentlicht wurde, zum Betreuungsunterhalt für alleinerziehende Elternteile nach Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes hat der BGH, gelinde gesagt, den Vogel abgeschossen.
Worum geht es?
Das neue seit 2008 gültige Unterhaltsrecht sieht vor, dass Betreuungsunterhalt für den betreuenden Elternteil, der ein Kind, das älter als 3 Jahre ist, erzieht, grundsätzlich nicht mehr gezahlt werden muss. Nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn die Persönlichkeit des Kindes dies erfordert oder Betreuungsmöglichkeiten nicht gegeben sind, kann noch Betreuungsunterhalt verlangt werden. Das heißt im Klartext, dass Alleinerziehende auch mit einem Kindergartenkind Vollzeit arbeiten müssen.
Zwar wendet der BGH hier konsequent die neue Rechtslage an und hebt Entscheidungen der Vorinstanzen auf, die quasi durch die Hintertür noch das alte Recht anwenden. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings wurde hierbei nicht berücksichtigt, dass von dieser Gesetzeslage meist nur Mütter betroffen sind. Das heißt, im Grunde liegt hier eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor.
Des Weiteren haben es alleinerziehende Mütter sehr schwer, passende Jobs zu finden, die mit den meist zu kurzen Öffnungszeiten der KiTas nicht in Einklang zu bringen sind.
Außerdem wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass meist die Mütter das Kind Vollzeit um sich haben und den größten Teil der Erziehungsarbeit allein vollbringen, während die Väter sich schöne Wochen machen, bis das Kind zum nächsten Besuchswochenende kommt. Das alles, während die Mutter auch noch Vollzeit arbeiten soll, obwohl sie sich allein um das Kind kümmert!
Hinzu kommt noch, dass man als alleinerziehender Elternteil künftig nicht mehr die Wahl hat, wie man sein Kind betreuen lassen will. Die Entscheidung, ob man sein Kind zu Hause erzieht oder dies Pädagogen überlässt, braucht man nicht mehr zu treffen. Meines Erachtens greift dies erheblich in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Eltern ein, ihre Kinder zu erziehen, wie diese es für richtig halten. Die Betreuung ist an sich nämlich kein Rechtsgut, in das der Staat von vornherein eingreifen müsste. Durch die Hintertür wird dies aber getan. Offenbar, weil man davon ausgeht, Alleinerziehende seien schlechtere Eltern als Paare, die zusammenleben.
Vor dem Hintergrund, dass nichteheliche und eheliche Kinder gleichgestellt sind, sowohl beim Unterhalt als auch beim rechtlichen Status, frage ich mich, warum diese Gleichstellung beim Betreuungsunterhalt nicht stattfindet, wenn man diese Kinder mit Kindern vergleicht, die in einer intakten Partnerschaft aufwachsen? Haben nicht alle Kinder das Recht, dass die Eltern die Erziehung so gestalten, wie die Eltern – und nicht der Staat – das für richtig halten?
Warum kann man die Väter juristisch nicht zwingen, genauso Erziehungsarbeit zu leisten, wie Mütter? Es würde oft schon helfen, wenn auch die Väter das Kind von der KiTa abholen und diese zum Arzt oder Sport bringen würden. Solange aber die Elternteile, bei denen das Kind nicht lebt, sich auf die Besuchswochenenden zurückziehen, ist das Urteil nicht zu rechtfertigen.
Ich hoffe nur, dass die betroffene Mutter Verfassungsbeschwerde einlegt und sich auf Art. 3 (Gleichheitsgrundsatz) sowie Art. 6 (Schutz von Ehe und Familie) des Grundgesetzes beruft. Mich würde es nicht wundern, wenn die Verfassungsrichter die Rechtslage etwas anders einschätzen als die Richter am Bundesgerichtshof.
Zur Klarstellung: Das Urteil kann natürlich sowohl Mütter als auch Väter treffen. In der Mehrheit sind es aber die Mütter. Ich sage auch nicht, dass sich die meisten Väter nicht kümmern. Die Praxis sieht aber dennoch so aus, dass an den Müttern die Erziehung und Betreuung der Kinder hängen bleibt. Dies wird übrigens auch von intakten Partnerschaften berichtet.
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